Die textile Welt im Blick: von nachhaltigen Produkten bis ökonomische Prozesse
Vliesstoffe aus "etwas anderen Fasern"
Die stetig wachsende Chemiefaserindustrie generiert auch stetig steigende Plastikabfälle und Mikroplastikpartikel in den Weltmeeren. Etwa 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikabfall landen jährlich im Meer. Zwischen 15 und 31 Prozent davon bestehen aus kleinsten Plastikpartikeln. Eine Ursache dieser Verschmutzung ist die unsachgemäße Abfallentsorgung.
Mittlerweile befassen sich die ersten Unternehmen intensiv mit dieser Thematik und es werden die ersten Produkte aus recycelten Materialien produziert – zum Beispiel aus entsorgten Fischernetzen, die in der Regel aus Polypropylen (PP), Polyamid (PA) oder Polyester (PET) bestehen. Diese werden wieder zu Fasern aufbereitet und der textilen Wertschöpfungskette zugeführt.
Prozessoptimierungen und Produktinnovationen helfen dabei das Thema Nachhaltigkeit zukunftsfähig zu machen. Einige Ansätze beschäftigen sich auch mit Abfallprodukten aus Produktionen anderer Industrien, wie beispielsweise der Lebensmittelindustrie.
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Geotextilien aus Bananenfasern …
Die Bananenfaser beispielsweise ist ein Abfallprodukt der Bananenernte. Wie anfangs eventuell vermutet, handelt es sich hierbei jedoch nicht um Fasern der Frucht, sondern um Teile des Palmenstamms. Da Bananenpflanzen nur einmal in ihrem Leben Früchte ausbilden, wird bei der Ernte die komplette Mutterpflanze abgeschlagen. Die Stämme werden daraufhin aufgeschnitten und in einzelne Lagen getrennt. Diese Einzellagen werden maschinell zu separierten Faserbündeln verarbeitet, indem die Flüssigbestandteile von den Fasern abgequetscht werden. Abschließend werden die Fasern zum Trocknen aufgehängt.
Neben der Verwendung der Bananenfasern für Bekleidungsstoffe, Teebeutel und japanische Yen-Noten finden sie, zu Vliesstoffmatten weiterverarbeitet, unter anderem Anwendung im Geotextilbereich, etwa als Erosions- oder Unkrautschutz.
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… oder Kokosmatten
Aufgrund ihrer Feuchtebeständigkeit werden auch Kokosnussfasern für den Erosionsschutz und im Garten- und Landschaftsbau eingesetzt. Kokosnüsse bestehen aus einer äußeren festen Schale, der darunter liegenden, etwa 8 Zentimeter dicken Faserschicht, der steinharten Innenschale und dem inneren weißen Kern (Nussfleisch) mit der darin enthaltenen Milch. Die Faserschicht macht etwa 30 bis 35 Prozent des Nussgewichtes aus. Sie setzt sich aus Kurzfasern und den bis zu 30 Zentimeter langen Faserbündeln zusammen. Letztere werden in einem mechanischen Prozess zu Einzelfasern verarbeitet.
Kokosfasermatten werden als Vliesstoff zur Wärmedämmung, aber unter anderem auch als Matratzenunterlagen, Teppichrücken oder Verstärkungselemente für naturfaserverstärkte Kunststoffe verwendet. Auto-Innenverkleidungen sind dabei nur eine von vielen Anwendungen.
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„Tequila-Fasern“ im Automobil
Mit dem Thema Nachhaltigkeit und neuen Ressourcen beschäftigt sich unter anderem auch der Automobilhersteller Ford. In Kooperation mit dem Tequila-Produzenten Jose Cuervo erforscht Ford die Verwendung von Agavenfasern für den möglichen Einsatz im Fahrzeuginnenraum oder als Leichtbau-Fahrzeugteil.
Agavenfasern, häufiger bekannt unter der Bezeichnung Sisal, sind ein Nebenprodukt der Tequila-Produktion und werden aus den abgeschnittenen Blättern der Agavenpflanze gewonnen. Der Faseranteil der Agavenblätter beträgt rund fünf Prozent und wird anhand eines mechanischen Prozesses, ähnlich dem der Bananenfasergewinnung, aus dem Pflanzenfleisch gelöst.
Neben der Verwendung im Automobilsektor kommen Agavenfasern, wie Bananen- und Kokosfasern, auch als Matten und Geotextilien zur Anwendung.
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Leder aus Ananasfasern
Ein weiteres Beispiel für ein Abfallprodukt der Lebensmittelindustrie ist die Ananasfaser. Hier werden ähnlich der Agavenernte die Blätter der Pflanze bei der Ernte abgeschlagen und in Fasern zerlegt. Die Blätter der Ananas haben jedoch weniger Fruchtfleisch, woraus sich eine leichtere Fasergewinnung und ein höherer Faseranteil ergeben.
Anstatt Polyester oder Polyamid können gleichermaßen Ananasfasern zur Herstellung von Kunstledersubstraten verwendet werden, wie ein europäisches Unternehmen unlängst beweisen konnte. Dazu werden die Fasern mehrfach, abwechselnd von beiden Seiten, zu einem Vliesstoff vernadelt. Dieser wird anschließend mit einem Polymer beschichtet und chemisch aufbereitet. Verwendet wird dieses vegane Leder für Schuhe, Bekleidung und Accessoires, aber auch für Innenausstattungen wie Möbel oder Automobil-Interieur.
Faser und Filznadel im Einklang
Der Faserquerschnitt von Naturfasern ist nicht uniform, was die Vernadelung prinzipiell schwierig gestaltet. Daher werden häufig konische Filznadeln oder Variokerbennadeln mit gestufter Kerbengröße eingesetzt. Dies sorgt für erhöhte Stabilität und führt zu weniger Nadelbruch und dadurch zu einer längeren Lebensdauer. Gerade bei abrasiven Naturfasern wie zum Beispiel Kokosfasern spielt das eine wichtige Rolle.
GEBECON®-Filznadeln von Groz-Beckert zeichnen sich durch ein konisches Arbeitsteil und einen durchgehend konischen Bereich bis hin zum Schaft aus. Daraus resultiert eine zu Beginn des Einstichvorganges reduzierte Einstichkraft, was auch die Belastung der Nadelmaschine senkt. Außerdem führt die schlanke Spitze zu kleineren Einstichtrichtern im Endprodukt und damit einhergehend zur Verbesserung des Oberflächenaspekts. Im Vergleich zu Standard-Filznadeln mit Zwischenreduzierung weisen GEBECON®-Filznadeln gleichmäßigere Auslenkungen beim Belastungstest auf. Überlastungsspitzen werden über das verbesserte dynamische Verhalten abgefangen und die Gefahr des Nadelbruchs wird dadurch minimiert. Zusätzlich sorgt das gleichmäßigere Bruchbiege-Verhalten bei hoher Flexibilität für reduzierten Verzug und ermöglicht schnellere Liniengeschwindigkeiten.
Um den Anforderungen des Endproduktes gerecht zu werden, ist die Abstimmung des Produktionsprozesses unabdingbar. Die Wahl der entsprechenden Nadel ist dafür essentiell. Zudem sorgt die passende Filznadel mit optimierten Standzeiten für eine wirtschaftliche Produktion.
Vernadelungsbeispiel aus der Anwendung – Naturfasermatte
- Faser: Naturfasern (gegebenenfalls mit Beimischung von synthetischen Fasern)
- Gewicht: 300–2.000 g/m²
- Produktanforderung: Einseitige Vernadelung - Eventuell Verwendung von Trägermaterial zur Verbesserung der Dimensionsstabilität
Vernadelungsparameter:
- Nadelfeinheit: 18–32 gg (z.B. 15x25x32x3½ M332 G 530P7 – 621971)
- Einstichtiefe: 11–15 mm
- Einstichdichte: 30–110 S/cm²
Vliesstoffe aus Naturfasern liegen in einem Flächengewichtsbereich von 500 bis 3.000 g/m². Bei hohen Gewichten ist eine Hauptvernadelung von beiden Seiten unumgänglich.
Zur Reduzierung des Nadelbruchs in der Einlaufzone der Maschine können in den ersten Reihen des Nadelbrettes kürzere (3 Zoll-)Nadeln eingesetzt werden. Diese dienen der Stabilisierung und können somit einer Kettenreaktion entgegenwirken.
Sie möchten sich intensiver mit der Vernadelung von Naturfasern befassen oder benötigen Unterstützung bei der Optimierung der Produktion von Vliesstoffen auf Naturfaserbasis? Die Groz-Beckert Experten ermitteln gemeinsam mit Ihnen die ideale Auslegung Ihrer Fertigung.
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Hätten Sie es gewusst?
Würde man alle bisher verkauften GEBECON®-Filznadeln der Länge nach aneinanderlegen, ergäben sie zusammen – mit ca. 20.000 Kilometern – die Entfernung vom Nord- zum Südpol.