Magazine Juli 2016

Die textile Welt im Blick: von Recycling bis Vernetzung

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Unterwegs in Bangladeschs Textilindustrie

Bangladesch hat in den vergangenen Jahrzehnten eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Die jährliche Wachstumsrate liegt bei annähernd 6%. Heute ist Bangladesch nach China der weltweit zweitgrößte Exporteur von Kleidung. Mit den Textil-Hochburgen rund um Dhaka und Chittagong exportiert Bangladesch Waren im Wert von über 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr in alle Welt. Begleiten Sie uns auf einer Reise durch Südasien und machen Sie sich ein Bild von den Zielen, dem soliden Fortschritt, aber auch von den gegenwärtigen Herausforderungen Bangladeschs.

Vom Entwicklungs- zum Schwellenland

Schon bei unserer Ankunft in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, lassen sich sichtbare Veränderungen im Vergleich zu vor einigen Jahren erkennen. Die infrastrukturellen Maßnahmen in der Millionen-Metropole schreiten schnell voran. Eines der Projekte, das ins Auge fällt, ist der Bau der neuen Metrostrecke.Auf der Weiterfahrt entdecken wir am Ufer des Flusses Padma die im Bau befindliche Brücke, die in Zukunft den Norden und den Osten des Landes mit dem Südwesten verbinden soll. Das ehrgeizige Projekt wird nach seiner Fertigstellung die Reise- und Transportzeit deutlich verkürzen und verspricht, die Wirtschaft weiter anzukurbeln.

Der Ausbau von Straßen und Transportwegen ist aber nur eine von vielen Maßnahmen zur Förderung des Wachstums mit Hinblick auf 2021, wenn das Land den fünfzigsten Jahrestag seiner Unabhängigkeit feiert.

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Heute belegt Bangladesch nicht nur Platz 35 im Weltbank-Ranking bezüglich der Wirtschaftsattraktivität, sondern hat nach Definition der Weltbank bereits den Schritt vom niedrigen zum mittleren Einkommensniveau geschafft. Dennoch erhält Bangladesch weiterhin die Handelsvorteile, die den „Least Developed Countries“ vorbehalten sind, da die Einstufung des Einkommens und die Beurteilung des sozioökonomischen Status zwei verschiedene Dinge sind.

Bangladeschs florierende Textilindustrie

Nachdem die Regierung 2011 die Richtung bekanntgab, Bangladesch bis zum Jahr 2021 zu „einem Land mittleren Einkommens“ zu entwickeln, hat sich auch der für das Land enorm wichtige Industriezweig Textil deutlich verändert. Ungefähr 4,5 Millionen Einwohner Bangladeschs sind in der Textilbranche tätig. Berücksichtigt man außerdem die vor- und nachgelagerten Prozesse, ist Textil die Lebensgrundlage von 20 Millionen Beschäftigten. Es ist naheliegend, dass dieser Industriezweig unverzichtbar für das Land mit einer Erwerbsbevölkerung von insgesamt 79 Millionen Menschen ist.

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Mit einem Anteil von 80% aller Ausfuhren ist die Textilindustrie außerdem die mit Abstand wichtigste Exportbranche Bangladeschs. 75% davon werden von den fünf wichtigsten Produktkategorien abgedeckt: T-Shirts, Hosen, Pullover, Web- und Strickshirts, die hauptsächlich an Großhandelsketten in Europa und den USA gehen.

Die vergangenen 35 Jahre hat Bangladesch jährlich rund 25 Milliarden US-Dollar im Bekleidungssektor erwirtschaftet. Für die kommenden fünf Jahre ist eine Verdoppelung dieser Zahl geplant – eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten.Zugute kommen dem kleinen, dicht besiedelten Land in Südasien die aktuell stockende Entwicklung des chinesischen Marktes, der Ausbau der eigenen Infrastruktur, die Flexibilität der Betriebe, die es ermöglicht, verschiedene Arten von Produkten herzustellen, ein höheres Bewusstsein der Bedeutung von Bildung sowie konkurrenzfähige Preise.

Im Umkreis von 100 Kilometern rund um die Hauptstadt Dhaka werden allein über zwei Drittel der Strick- und Wirkwaren im Land hergestellt. Jährlich kommen ca. 1.000 Rundstrickmaschinen in den Markt. Obwohl die Mengenfertigung auf Großrundstrickmaschinen stark im Fokus steht, zeigt sich in den letzten Jahren auch im Flachstrickbereich ein Trend zur Modernisierung, wobei Handflachstrickmaschinen durch elektronische Maschinen ersetzt werden. So kommen etwa 10.000 Flachstrickmaschinen pro Jahr ins Land.

Frischer Wind im textilen Umfeld

Nach zwei schrecklichen Unfällen in den Jahren 2012 und 2013, die die Textilindustrie in Bangladesch in ihren Grundfesten erschüttert haben, war man gezwungen, innezuhalten und zu reflektieren. Denn im Bestreben, schnell zu wachsen und konkurrenzfähig zu bleiben, wurden Sicherheitsaspekte nicht ausreichend berücksichtigt. Bangladesch hat diese Herausforderung angenommen. Wichtige Schritte in Richtung besserer Sicherheitsstandards und Arbeitsbedingungen in Textilfabriken wurden eingeleitet und umgesetzt. Die Einhaltung dieser neuen Standards wird heute durch dafür eigens ins Leben gerufene Einrichtungen kontrolliert.

Themen wie Energiewirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, Anpassungen an den Klimawandel und Arbeitsrecht sind feste Bestandteile der neuen politischen Strategie. So können beispielsweise Unternehmen, die auf nachhaltige Produktionsmethoden umrüsten, mit vergünstigten Darlehen rechnen. Höhere Mindestlöhne und bessere Ausbildung haben zudem bereits zu besseren Arbeitsbedingungen und höherer Akzeptanz bei ausländischen Auftraggebern geführt.

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„Ein Stück vom Weltmarktwachstum“ möchte Bangladesch in Zukunft für sich beanspruchen. Das Land rechnet sich große Chancen bis zum wichtigen Jubiläum 2021 aus. Und die neue Strategie und die eingeleiteten Maßnahmen zeigen, dass Bangladesch auf einem guten Weg ist, seine Ziele nachhaltig zu erreichen.